Die Welt marschiert nach rechts – sind die Linken ohnmächtig?

Als in den USA ein gewisser Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, waren viele entsetzt. Viele hatten die Hoffnung, dass dieser wohl nicht lange Präsident bleiben würde, dass er vielleicht durch ein Amtsenthebungsverfahren gestürzt werden könnte. Nach den kürzlich stattgefundenen Kongress- und Unterhauswahlen in den USA trauen ihm jetzt immer mehr auch noch eine zweite Amtszeit zu.

Als wäre das nicht schlimm genug, gab es kürzlich auch noch Wahlen in Brasilien. Der offen faschistisch auftretende Bolsonara wurde mit deutlicher Mehrheit zum Präsidenten dieses Landes gewählt. Er hetzt gegen Linke, Schwule und Lesben, die indigene Bevölkerung, ist ein offener Fan der damaligen Militärdiktatur in Brasilien – und ein großer Mobb jubelt ihm zu. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt: Eine große Anzahl von Menschen in Brasilien wird spätestens nach Amtsantritt von Bolsonaro Anfang 2019 um die eigene Freiheit und um das eigene Leben fürchten müssen.

Auch in Europa sitzen Rechtspopulisten nicht mehr nur in den Parlamenten, in Ungarn regiert ein gewisser Orban, in Österreich und Italien sind Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt. Auch in Deutschland kommt die AfD bei Wahlergebnissen aus dem Jubeln scheinbar nicht mehr heraus. Beim jetzt stattgefundenen Parteitag zur Europawahl gab Ihr Spitzenkandidat Meuthen laut taz vom 17.11.2018 folgendes von sich:

„Wir wollen ein Europa der Vaterländer“, ruft Meuthen in den Saal. „Natürlich Verbündete“ dabei seien Hans-Christian Strache, der österreichische Vizekanzler von der FPÖ, der italienische Lega-Chef Matteo Salvini und Viktor Orban, der Ministerpräsident. „Wir streben natürlich eine Kooperation mit diesen Partnern an, das geht.“ Dann sind die sieben Minuten um. „Wir sind die wahren Europäer, sagt Meuthen zum Schluss“.

Leider ist diese Perspektive, die Meuthen hier malt, durchaus realistisch: Dass es nach den Europawahlen im EU-Parlament einen großen und einflussreichen Block von Rechten geben wird. Da gibt es auch noch andere Kräfte, die man irgendwie zu diesem Block zählen muss – etwa den Front National in Frankreich oder auch die Regierung in Polen.

 

Ein Europa der Vaterländer?

Dabei ist der Begriff eines „Europas der Vaterländer“ durchaus geschickt gewählt. Viele Linke halten sie immer noch hoch, die „Internationale Solidarität“.  Und viele bekommen bei dem Begriff Vaterland Bauchschmerzen, geht es ihnen doch um das Schicksal der Menschen in der ganzen Welt, nicht nur um die Menschen im eigenen Land. Natürlich kann dieser Begriff auch schon deshalb kritisiert werden, weil er mit geschlechtsneutraler oder gendergerechter Sprache nichts zu tun hat. Sollten Linke oder Feministinnen die Perspektive Meuthens allerdings wegen des Vaterlandbegriffs kritisieren, setzen sie sich sehr leicht ins politische Abseits.

Denn eine sehr große Anzahl von Menschen hat zur eigenen Heimat, zum eigenen Land durchaus ein positives Verhältnis. Dieses Verhältnis ist zumindest teilweise auch von tiefen Emotionen geprägt, wie oft genug beim Singen der Nationalhymnen vor Sportveranstaltungen beobachtet werden kann. So heißt es doch auch etwa in der deutschen Nationalhymne: „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“. Es ist also gar nicht so einfach, die Perspektive eines „Europas der Vaterländer“ zu kritisieren, ohne sich dabei selbst ins politische Abseits zu stellen. Nein, zur Führungsriege der AfD habe ich überhaupt kein positives Verhältnis, muss aber leider zugeben: Die sind nicht dumm, die verstehen ihr Handwerk.

Im Kern geht es der AfD und anderen Rechtspopulisten aber gar nicht um ein gemeinsames Europa, in dem die verschiedenen Vaterländer ein gemeinsames und friedliches Miteinander bauen. Allen gemeinsam ist da eher die Perspektive, die Donald Trump für die USA proklamiert hat: America First. Die eigene Nation, das eigene Land, das ist das wichtigste. Das Schicksal aller anderen Menschen auf der Welt soll demgegenüber zweitrangig sein. So soll Europa dann geprägt sein von einem tiefen Nationalismus. Eine Perspektive, die in der Tat Angst macht. Solch ein Nationalismus kann im schlimmsten Fall dort enden, wo wir doch alle nicht mehr hinwollen – im dritten Weltkrieg.

 

Hass auf Migrant*innen

Hinzu kommt, dass die Erfolge der Rechtspopulisten sich aus einem tiefen Hass gegenüber Ausländern und Migranten nähren. Es ist übrigens falsch zu glauben, dass dieser Hass so vollkommen neu ist. Beispiel Deutschland: Hier gibt es eine Menge Untersuchungen, die zeigen, dass rassistisches Gedankengut in den Köpfen vieler Menschen nach dem zweiten Weltkrieg keineswegs verschwunden ist. Es war nur eine lange Zeit lang nicht opportun, solche Gedanken auch laut in der Öffentlichkeit zu äußern. Mit Pegida und der AfD änderte sich das vollkommen. Das war so etwas wie das „Öffnen der Büchse der Pandora“: Was viele schon immer gedacht hatten, jetzt konnte man es endlich auch in der Öffentlichkeit sagen. Und das nicht nur leise und verschämt, nein: laut und aggressiv.

Hinzu kam, dass den Wähler*innen der AfD mit rationalen Argumenten kaum beizukommen ist. Alle Argumente sind schließlich sowieso Lügen, Resultat der Lügenpresse. Auch das erinnert wieder an Trump: Auch wenn alle seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass der aktuell stattfindende Klimawandel menschengemacht ist, er bestreitet das alles. Und viele Menschen folgen ihm. Was die Wissenschaftler*innen da sagen – alles Nonsens, alles gelogen.

Die beschriebenen Entwicklungen haben sich sowohl in Deutschland als auch weltweit in einem atemberaubenden Tempo vollzogen. Ich würde mal sagen: Vor 10 Jahren hätten die Linken in Deutschland und der Welt es nicht für möglich gehalten, dass es so weit kommt, obwohl es auch damals schon Anzeichen dafür gab. Auch wenn es immer wieder auch positive Entwicklungen gibt: Etwa die Wahlergebnisse von Linken in Spanien oder Frankreich; das Wiedererstarken bei gleichzeitigem nach Links rücken der Labour-Party in Großbritannien; der beeindruckenden Stärke von Bernie Sanders, der bei den Vorwahlen zu den Präsidentschaftswahlen in den USA beinahe Hillary Clinton aus dem Rennen geworfen hätte; bei vielen großen Aktionen gegen Hass und Ausländerfeindlichkeit; bei vielen Protesten gegen soziale Ungerechtigkeit oder die Zerstörung unserer natürlichen Ressourcen. Dennoch: Die gesamte Entwicklung in der sogenannten freien Welt (also in erster Linie Nord- und Südamerika, Europa, Australien, Israel) geht mit Macht nach rechts.

 

Die linken oder progressiven Kräfte – was tun

In so einer Situation haben alle Menschen, die sich als links oder fortschrittlich verstehen, eine große Verantwortung. Sie müssen sich schlicht zwei Fragen stellen: Was haben wir falsch gemacht? Was sollten wir bei unserem eigenen politischen Handeln ändern? Ich möchte hierzu ein paar Thesen aufstellen. Nicht gleich für die ganze Welt – das wäre auch vermessen von einem kleinen Linken in Deutschland, der mal eben allen anderen die Welt erklärt. Diese Thesen beziehen sich zunächst einmal nur auf Deutschland. Und: Es sind Thesen, keine endgültigen Weisheiten. Dazu bin ich mir in vielen Punkten selbst nicht sicher genug. Sie sollen Anreiz sein für fruchtbare Diskussionen, die uns einen Schritt weiterbringen könnten, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zunächst ein paar kleine Vorbemerkungen. Im folgenden werde ich nicht mehr von den Linken sprechen, sondern von den progressiven Kräften (dieser Begriff stammt eigentlich von DiEM25, dazu später mehr). Das allein schon deshalb, weil mit der Existenz der Linken Partei in Deutschland der Begriff „Linke“ doppeldeutig ist. Meine ich nur die Mitglieder der linken Partei oder alle Linken.

Inhaltlich verstehe ich unter progressiven Kräften ganz allgemein diejenigen, die gegen die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich, gegen Kriegspolitik und Rüstungsexporte, gegen die Zerstörung unserer natürlichen Ressource im Namen des Profits, gegen Rassismus und Faschismus vorgehen wollen. Die Reihenfolge soll hier nichts mit irgendeiner Priorisierung zu tun haben.

Progressive Kräfte gibt es in verschiedenen Organisationen. Bei den Linken, aber auch bei der SPD oder den Grünen. Bei letzteren kann ich insbesondere deren Führungsetagen kaum dazu zählen, obwohl es mit der Distanzierung von Hartz IV immerhin ein paar gute Anzeichnen gibt. Aber innerhalb dieser Parteien gibt es durchaus eine große Anzahl von Menschen, die dazu gehören. Dann gibt es auch noch viele Menschen, die bei den Gewerkschaften oder in Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aktiv sind und eine progressive Zielstellung haben. Es gibt aber auch viele Menschen, die keiner Organisation oder Partei angehören, nicht oder nur bei vereinzelten Demonstrationen aktiv sind, aber in ihrem Denken den progressiven Kräften nahestehen.

Wenn man all diese progressiven Menschen zusammenzählt, dürften das eine ganze Menge sein. Vielleicht auch genug, um zumindest in Deutschland diesen Rechtstrend zu stoppen und umzudrehen? Wenn überhaupt, dann kann das aber nur gelingen, wenn diese Menschen auch gemeinsam handeln. Und hierin steckt im Moment ein großes Problem.

 

Meinungsverschiedenheiten und Streit zwischen den progressiven Kräften

Oben habe ich ganz allgemein beschrieben, wer für mich alles zu diesen Progressiven gehört. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich all diese Menschen auch tatsächlich einig sind. Nein, innerhalb dieser progressiven Kräfte gibt es viele Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten. Die einen möchten die soziale Frage ganz nach oben stellen, die anderen halten gerade angesichts des Klimawandels die ökologischen Fragen für die wichtigsten. Die einen möchten unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem soweit verändern, dass die Zeit des Neoliberalismus beendet wird, die anderen glauben, dass der Kapitalismus als Ganzes abgeschafft werden muss, damit eine wirksame Verbesserung der Lage überhaupt möglich ist. Die einen meinen, dass es im Kampf gegen Rechts vor allem darauf ankommt zu demonstrieren, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht ausländerfeindlich und nicht rassistisch ist. Die anderen meinen, dass es in einem Land wie Deutschland nicht möglich sein darf, dass nach all den Erfahrungen überhaupt Nazis auf den Straßen marschieren dürfen und sie versuchen auch immer wieder, das zu verhindern. Hier könnte ich mit Sicherheit noch eine ganze Weile fortfahren.

Dass es zwischen den progressiven Kräften Meinungsverschiedenheiten gibt, das ist nicht neu. Die kann man auch nicht mal eben mit ein paar Argumenten wegdiskutieren. Schlimm ist es nur, wenn diese Differenzen dazu führen, dass der Streit untereinander die Oberhand gewinnt. Wenn dadurch die notwendigen gemeinsamen Aktionen gegen rechts und die durchaus mögliche Entwicklung von Alternativen zur gegenwärtigen Politik des „Weiter so“ auf der Strecke bleiben. Und diese Gefahr droht durchaus.

 

Streit innerhalb der linken Partei

Ein Beispiel ist der Streit der Parteiführung der Linken mit Sahra Wagenknecht. Wagenknecht versucht seit einiger Zeit mit „Aufstehen“ eine parteiübergreifende Bewegung ins Leben zu rufen. Ihre Begründung: Der linken Partei gelinge es nicht, die Wähler, die sich etwa von der SPD abwenden, für die Linke zu gewinnen – viele würden aus Protest zu AfD-Wählern. Weiterhin wendete sie sich schon seit längerem gegen die Vorstellung von offenen Grenzen, nach der alle Flüchtlinge, die das wollten, auch nach Deutschland kommen könnten. Zum einen sei das unrealistisch und würde die AfD noch weiter stärken. Zum anderen würden so den armen Ländern auf der Welt auch noch ihre besten Arbeitskräfte genommen, so dass für sie eine Verbesserung der Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung immer aussichtsloser würde.

Ich halte beide Argumente von Wagenknecht für durchaus nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist sicher auch, dass die Parteiführung der Linken diese Entwicklung mit Argwohn betrachtete. Droht hier nicht eine linke Konkurrenz aus den eigenen Reihen? Sie setzte den Argumenten von Wagenknecht entgegen, dass die linke Partei doch schon selbst eine Sammlungsbewegung sei, offen für alle, die für fortschrittliche Veränderungen in Deutschland und der Welt eintreten. Sieht man nur nicht bei den Wahlergebnissen – kann dem wieder entgegengehalten werden, und so dreht man oder frau sich schnell im Kreis.

Aber die Auseinandersetzungen wurden härter. Grund war der Aufruf zur Großdemonstration #unteilbar – Solidarität statt Ausgrenzung. Über 240.000 Menschen nahmen daran teil, aber Sahra Wagenknecht hatte diesen Aufruf nicht unterschrieben. Begründung: Sie sah es so, dass in der Tendenz die Forderung „Offene Grenzen für alle“ zur bestimmenden Tendenz werde. Ich habe mir den Aufruf noch einmal angeschaut (Aufruf #unteilbar) kann daran eigentlich aber nichts derartiges entdecken. Wie dem auch sei, die Auseinandersetzungen zwischen linker Parteiführung und Sahra Wagenknecht eskalierten daraufhin.

Von Seiten der Linken gipfelte das in Vorwürfen, Sahra Wagenknecht eine Nähe zu AfD zu bescheinigen. Ein Vorwurf, der so sicher unter die Gürtellinie zielte. Diese Auseinandersetzung ist auch noch nicht zu Ende, es wird spekuliert, ab Wagenknecht Ende des Jahres von der Fraktionsspitze der Linken im Bundestag abgesetzt werden wird. Auf der anderen Seite frage ich mich allerdings auch, warum sie diesen Aufruf nicht unterstützen konnte, wo sie doch mit Aufstehen eine linke Sammlungsbewegung initiieren möchte. Der Aufruferkreis und die Teilnehmer an der Demo, das waren doch mehrheitlich Menschen, die ich in jedem Fall zu den progressiven Kräften dazu zählen würde. Auch viele, die ihren Aufruf für „Aufstehen“ unterstützt hatten, waren zumindest irritiert.

 

Wie sollten Meinungsverschiedenheiten zwischen progressiven Kräften ausgetragen werden?

Ich habe dieses Beispiel nicht hauptsächlich deswegen gewählt, weil mich dieser Streit als Mitglied der Partei „Die Linke“ persönlich betrifft. Vielmehr steht es in meinen Augen exemplarisch für die Art, wie Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb der progressiven Kräfte oft ausgetragen werden: Es werden eine oder wenige Fragen zum Hauptthema eines Themengebietes deklariert, die dann verschieden Beantwortet werden, obwohl es oft gar nicht die eigentlichen Kernfragen sind, um die es gehen sollte.

Im Beispiel will Wagenknecht das Grundrecht auf Asyl auch gar nicht abschaffen. Sie möchte allerdings, dass der Zuzug der anderen Flüchtlinge nach Deutschland begrenzt und reguliert wird. So abstrakt kann ich ihre Position auch teilen. Die langfristige Lösung muss schließlich darin bestehen, dass die Menschen überall auf der Welt ein menschenwürdiges Leben führen können, und nicht von Kriegen, bitterer Armut oder Hunger in die Flucht getrieben werden. Nur: Bis es so weit ist, das kann noch dauern. Die heute akuten Probleme zeigen sich in vielen Flüchtlingslagern auch vor den Toren Europas. Menschen werden dort unter menschenunwürdigen Verhältnissen festgehalten, teilweise gequält und gefoltert. Europa hat dafür gesorgt, dass Rettungsschiffe nicht mehr vor den Küsten Libyens Menschen vor dem Ertrinken retten können; sie sollen als abschreckendes Beispiel ertrinken! Italien hat jetzt noch eine andere Lösung gefunden: An Libyen wurden Militärboote geliefert, mit denen die Flüchtlinge auf dem Meer vor der libyschen Küste eingesammelt werden und zurück in ihre KZ-ähnlichen Lager verfrachtet werden. Über Donald Trump, der eine Mauer gegen die Migranten aus Mexiko errichten will, wird gerne laut gelästert. Dabei ist Europa längst dabei, um die eigenen Außengrenzen immer mehr Zäune und Mauern zu errichten.

Weder die Regulierung der Einwanderung von Migranten nach Deutschland noch die Forderung offener Grenzen für alle sind eine Lösung für die aktuellen Probleme. Und leider gibt es hier auch keine einfache Lösung. Weltweit betrachtet sind die Probleme sogar noch viel größer: Die Lebensbedingungen von Flüchtlingen etwa in Jordanien oder irgendwo in Afrika sind oft noch viel Schlimmer; von Menschen, die überhaupt nicht die Mittel hätten, um Schlepperbanden zu bezahlen, die sie bis vor die Tore Europas bringen. Hinzu kommen weit über 800 Millionen Menschen, die unter Hunger leiden. Das ist die traurige Wahrheit: In einer Welt, die noch niemals so reich war wie heute, ist eine riesige Anzahl von Menschen dazu verdammt, ein zutiefst menschenunwürdiges Leben zu führen. Und Europa ist mit seiner Kriegs- und Rüstungsexportpolitik, mit seiner Wirtschaftspolitik z.B. gegenüber Afrika, zu einem großen Teil mit Schuld daran.

 

#unteilbar war eine deutliche Aufforderung für ein solidarisches und soziales Miteinander

Was die 240.000 Menschen zur Teilnahme an der „#unteilbar“-Demo in Berlin bewegte, war m.E. weniger die Frage von offenen Grenzen für alle oder nicht. Was die Menschen vielmehr bewegt hat, war viel eher der Wunsch nach einer solidarischen und humanen Welt, in der Menschen überall gerecht und als das behandelt werden, was sie sind: Menschen. Und natürlich richtete sich der Protest auch gegen alle Rassisten und Nazis in Deutschland, die die Jagt auf Menschen eröffnet haben, nur weil sie aus einem anderen Land kommen. Liebe Sahra Wagenknecht, was bitte ist an diesen Forderungen so falsch, dass man sie nicht unterstützen kann?

Für ein Europa der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit!
Für ein solidarisches und soziales Miteinander statt Ausgrenzung und Rassismus!
Für das Recht auf Schutz und Asyl – Gegen die Abschottung Europas!
Für eine freie und vielfältige Gesellschaft!
Solidarität kennt keine Grenzen!

Meine abschließende Meinung zu dem Thema: Statt sich weiter um die Frage der offenen Grenzen für alle zu streiten, solltet Ihr lieber darüber reden, mit welchen Forderungen den Menschen, die in Not sind, auch heute schon geholfen werden könnte. Da gibt es mit Sicherheit keine einfachen Lösungen, aber viele mögliche Partner*innen, mit denen eventuell gemeinsames Handeln möglich wäre, darunter viele NGOs, Organisationen der UN, aber auch viele progressive Kräfte aus anderen Organisationen und Ländern. Das schließt die Entwicklung langfristiger Forderungen, die die Probleme viel grundsätzlicher anpacken, natürlich nicht aus. Aber: Linke und alle progressiven Kräfte machen sich unglaubwürdig, wenn ihnen die Not der Menschen jetzt und heute letztlich egal ist!

 

Die Europawahlen nächstes Jahr – Chancen und Risiken

In der aktuellen Situation kommt diesen Wahlen m.E. eine viel größere Bedeutung zu, als dies bei früheren Wahlen der Fall war. Zum einen werden die Parteien, die bislang den Neoliberalismus hochgehalten haben und immer große Stimmenanteile gewonnen haben, wohl weiter geschwächt werden, in Deutschland in erster Linie CDU, CSU und SPD. Demgegenüber wird der Block der Rechtspopulisten wie oben beschrieben wohl wesentlich stärker werden. Die Frage wird sein, ob es wenigstens auch einen starken oder gestärkten Block von progressiven Kräften im europäischen Parlament geben wird. An dieser Stelle ist es an der Zeit, auch einmal über eine paneuropäische Organisation zu sprechen, die auch bei diesen Wahlen antreten wird: DiEM25.

Die EU muss demokratisiert werden. Oder sie wird zerfallen! Mit dieser Losung wurde vor ca. zwei Jahren durch Initiative von Yanis Varoufakis die Organisation DiEM25 gegründet. Nachdem dies zu Beginn auch in den Medien einige Aufmerksamkeit erregte, wurde es bald ruhiger um diese Organisation.

Ich selbst habe mich zu Beginn auch bei dieser Organisation eingeschrieben und habe an einigen Sitzungen einer Gruppe teilgenommen, die sich in Karlsruhe gegründet hatte. Aus Zeitgründen bin ich bald nicht mehr zu den Treffen gegangen. Ich erhalte allerdings nach wie vor Mails sowohl von DiEM25, wo ich mitunter aufgerufen werde, über einige Fragen oder Kandidaturen mit abzustimmen – was ich auch des Öfteren mache. Auch von der Karlsruher Gruppe bekomme ich nach wie vor Mails. Mein Eindruck: Da hat sich im Laufe der Zeit durchaus etwas entwickelt, die Anzahl der Mitstreiter*innen scheint langsam aber stetig zu steigen.

Ich habe mir auch das vorläufige Programm für die Europawahlen angesehen. Ich kann hierüber kein endgültiges Urteil abgeben, weil ich in vielen Diskussionen einfach nicht richtig drin bin – und in der Organisation wird tatsächlich viel diskutiert. Mein Eindruck aber ganz allgemein: Es handelt sich um eine Organisation, die ich zu den progressiven Kräften in Europa zählen würde. In Deutschland wird DiEM25 zusammen mit DiB (Demokratie in Bewegung) kandidieren. Diese Partei hat sich kurz vor den letzten Bundestagswahlen gegründet und dort mit einem bedeutungslosen Wahlergebnis teilgenommen; DiB hängt irgendwie mit der Plattform Change.org zusammen, genaueres weiß ich darüber aber nicht.

Das kann nicht nur für mich ein Problem werden – wähle ich die Linke oder DiEM25, mal schauen. Ich kann momentan auch überhaupt nicht einschätzen, welche Chancen DiEM25 bei den Wahlen haben wird.

 

Die Zukunft von „Aufstehen“

Allerdings kann die von Wagenknecht initiierte „Aufstehen“-Bewegung von DiEM25 durchaus eine Menge lernen, zumindest was Durchhaltevermögen und Demokratie betrifft. Eine neue Bewegung ins Leben rufen, das dauert eben. Da ist es durchaus richtig, weiter zu machen, weil ich die Grundidee von „Aufstehen“ gut finde.

Allerdings müssen auch in dieser Bewegung vernünftige Strukturen entstehen. Dass jetzt dazu aufgerufen wird, an allen Orten Gruppen zu gründen, die aktiv werden wollen und den Gründungsaufruf von „Aufstehen“ unterstützen, das ist gut. Allerdings müssen dann auch tatsächlich demokratische Strukturen entstehen. Welche Aktionen „Aufstehen“ unterstützt und welche nicht, das muss dann letztlich immer durch alle Mitstreiter*Innen in diesen Gruppen entschieden werden, das kann und darf auf Dauer natürlich nicht Sahra Wagenknecht zusammen mit ein paar Vertrauten allein entscheiden – ist jedenfalls meine Meinung. Wie solche demokratischen Strukturen aussehen können, darüber würde es sich m.E. durchaus lohnen, mal bei DiEM25 nachzufragen, wie das da funktioniert. Da werden wirklich alle Mitstreiter*innen bei wichtigen Fragen immer gefragt!

 

Für ein gemeinsames Wahlmanifest der progressiven Kräfte

Ein Problem bei allen Wahlen kann immer sein, dass natürlich alle, die kandidieren, an erster Stelle Stimmen für die eigene Organisation gewinnen wollen. Das heißt für viele progressive Kräfte, die einer zur Wahl stehenden Organisation nahestehen, dass andere progressive Kräfte zu Konkurrent*innen werden. So wird es die Linke Partei mit Sicherheit nicht gut finden, dass hier auch noch DiEM25 kandidiert. Wichtig ist bei aller Konkurrenz aber eines: Diese Kräfte dürfen nicht vergessen, wer die Hauptgegner sind. Ein aufeinander Eindreschen, das hilft nur wieder den Rechten!

Gut fände ich in dem Zusammenhang ein gemeinsames Wahlmanifest von progressiven Kräften in Europa. Die Aufforderung an die Menschen in Europa, nur Parteien eine Stimme zu geben, die

  • Für Abrüstung statt weiterer Aufrüstung und Waffenexporte eintreten
  • Für mehr soziale Gerechtigkeit in Europa eintreten, zu zahlen von den großen Konzernen und Superreichen (gerechte Steuerpolitik)
  • Für den Erhalt der natürlichen Ressourcen, insbesondere Einhaltung der Klimaschutzziele
  • Für ein solidarisches Europa statt Ausgrenzung und Rassismus

So ein Aufruf müsste natürlich noch genauer und etwas umfassender aussehen. Das kann ich mir an dieser Stelle jedoch schenken. Das wäre dann Aufgabe von denjenigen, die so ein Manifest gemeinsam erarbeiten würden. Wer könnte das sein? Nun, an Parteien etwa die Linke und DIEM25; progressive Parteien aus anderen europäischen Ländern. Vielleicht könnte man in Deutschland auch SPD oder Grüne dazu bewegen? Falls nicht – was wahrscheinlich ist – dann aber zumindest bekannte Persönlichkeiten aus diesen Parteien. Gewerkschaften und verschiedene NGOs. Da gibt es mit Sicherheit auch noch viele anderen Strukturen, die ich gar nicht kenne (hier ein Beispiel: European Forum). All diese wenigstens in einigen grundsätzlichen Forderungen zusammen zu führen, das wäre doch was. Dazu möglichst viele Prominente. Natürlich ist das hier nur eine Hoffnung, eine Idee, deren Realisierung ich persönlich gut fände. Vielleicht haben ja einige Leser*innen Ideen, wie man eventuell einzelnen Organisationen oder prominenten Menschen so eine Idee schmackhaft machen könnte, dass sie sich darum bemühen?

Gut, das war jetzt eine ganze Menge von mir. Ich hoffe jetzt auf viele Diskussionsbeiträge von Euch als Leser*innen. Entweder per E-Mail einfach an mich (dbeune@web.de), oder als Kommentar auf dieser Web-Seite. Auch längere Beiträge sind mir hochwillkommen. Schickt mir einfach ein Word-Dokument, dann werde ich dieses als einen Beitrag auf diese Seite stellen. Es wird in den nächsten Jahren um vieles gehen; darum sollten sich auch viele Gedanken machen!

Euer Detlef Beune

Ein Gedanke zu „Die Welt marschiert nach rechts – sind die Linken ohnmächtig?

  1. Ich teile vieles in diesem Artikel, möchte dem aber eine andere Grundeinschätzung entgegenhalten:
    1. Die Wiederauferstehung der Rechten ist keine Niederkunft eines irgendwie mythischen, teuflischen Virus des Bösen, der die Massen quasi infiziert
    2. Die Wiederauferstehung der Rechten ist – ähnlich wie in den Zeiten nach der Weltwirtschaftskrise 1929 – ein Ergebnis von Verwerfungen, deren Ursache in wirtschaftlichen Entwicklungen liegen, die Gesellschaften in immer Reichere, eine sich nach unten auflösende Mittelschicht und eine zunehmende Masse sozial Abgehängter ohne Hoffnung spalten.
    3. Dazu kommt in Europa/Deutschland verstärkend noch die Flüchtlingsbewegung
    4. Es geht explizit nicht nur um messbare materielle Daten wie Einkommensverlust, wachsende Armut usw.
    5. Es geht auch um emotionale, psychische Ängste, dass die je eigene, lokale Lebenskultur/Identität in Gefahr gerät
    6. Hauptauslöser des Ganzen ist m.E. nicht eine Degeneration der Massen nach Rechts – Hauptauslöser ist m. E. eine seit Jahrzehnten sich austobende neoliberale Wirtschaftskultur, die die Gesellschaften zunehmend in eine kleine Gruppe absoluter Gewinner, und eine wachsende Zahl auf Dauer perspektivloser Verlierer spaltet.
    7. Die Angst vor Abstieg, vor dem Alleingelassenwerden im Kampf um die Ressourcen geht weit in die noch nicht davon erfassten Mittelschichten hinein, nicht ohne Grund.
    8. Der ungebremste Neoliberalismus aber zerstört weltweit diese Sicherheiten.
    9. „Die Welt marschiert nach Rechts“ – das scheint mir ein zu pauschales Bild. Für Deutschland diskriminiert es mindestens 80 Prozent der Bevölkerung, die gar nicht nach rechts marschieren – trotz allem.
    10. Was die Option für eine Linke betrifft, da sollte man demütig sein. Nur 4 Beispiele:
    a) Sind die betroffenen „Massen“ über 70 Jahre vom „Realen Sozialismus“ quasi verarscht worden – und haben unendliche Blutströme dafür vergossen (auch im GULAG).
    b) Hat die europäische Sozialdemokratie (u.a. mit dem „3. Weg“, angeführt vom britischen Premier Blair und Bundeskanzler Schröder (und den GRÜNEN), der neoliberalen Entfesselung des Finanzkapitals und der globalen Unternehmen den Weg in Europa gebahnt. Mit Hartz IV und den heute gängigen prekären Beschäftigungsverhältnissen (tariflose Beschäftigung, Leiharbeit, Subunternehmen mit Sklavenarbeitsverträgen, Werkverträge, Hungerlöhne (Aufstockerlöhne nach Hartz IV usw.)
    c) Das Desaster der Linken Regierungen in Mittel- und Südamerika, letztes Beispiel: die Wahl in Brasilien. Man kann sich dazu europäisch-links-korrekt aufstellen und sagen: Um Gottes Willen, die Massen gehen mal wieder nach Rechts. Man könnte auch fragen: Warum tun sie das? Sollten wir erst mal analysieren, die Gründe finden?

    11. MEIN FAZIT:
    a) Der Neoliberalismus, die ungezügelte Kapitalverwertung ist Ergebnis politischer Entscheidungen der politischen, oft sozialdemokratischen/linken Eliten (Europa) in den letzten Jahrzehnten
    b) Er ist die Ursache gesellschaftlicher Verwerfungen, für die Populisten und Rechte scheinbare Antworten liefern – während die herrschenden Eliten bisher keine Umkehr der neoliberalen Politik erkennen lassen.
    c) Es sind nicht die Massen, die den Rechtsruck auslösen, es ist die neoliberale Politik der Förderung der ungebremsten Ausbeutung durch globale Unternehmen, die viele sich gefährdet sehende Menschen anfällig machen für Identitätsversprechen der Rechten (wir erhalten Eure traditionale (deutsche) Welt.

    12. Eine Parallele mit Weimarer Zeiten trifft nicht: Damals endloses Wirtschaftschaos nach verlorenem Weltkrieg. Ein neues demokratisches System, das in der Masse niemand hat verstehen können. – Wir leben heute in einem politisch gesicherten System auf hohem Wohlstandsniveau: Das aber trotzdem ständig neue Armut produziert, und sich mit nicht verhinderbaren Flüchtlings-Bewegungen auseinandersetzen muss. All das kann gelingen. Wenn die Politik (gegen die Wirtschaft vielleicht) wieder ein Sozialstaats-Modell durchsetzen kann, in dem sich alle aufgehoben fühlen.

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